Sebastian Jung

Spielregeln

Catrin Lorch

Das klassische Galeriemodell ist während der zurückliegenden zwanzig Jahre durch die ungeheure ökonomische Aufwertung der zeitgenössischen Kunst grundsätzlich verändert worden. Es existieren vom kleinen Betrieb, Firmen mit Franchise-Niederlassungen, global agierenden GmbHs, Aktiengesellschaften bis zur Lifestyle-Agentur viele Modelle, die wirtschaftlich gesehen mit dem ursprünglich vorherrschenden Modell – traditionsbewusstes, mittelständisches, inhabergeführtes Unternehmen – nicht mehr viel zu tun haben. So gut wie alle diese Formate arbeiten an vielen Stellen online und datengestützt. Online-Formate, die in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit erfahren, haben damit aber fast nichts zu tun und spielen bislang auch kaum eine Rolle.

Die Pandemie hat die Galerien getroffen, voraussichtlich werden noch viele aufgeben oder sich verkleinern – während die sehr großen Händlerinnen vermutlich ihrem Kundinnenkreis folgend weiterhin gut verdienen werden. Das könnte die Konzentration auf wenige international agierende Galerien noch einmal verstärken.

Die Reduzierung von Kunst auf Wert-Diskussionen und Preis-Entwicklungen bestimmt die Berichterstattung und ersetzt zunehmend die ästhetischen Debatten. Das ist aber meiner Einschätzung nach weniger eine Folge des Galeriewesens denn des Auktionsmarktes. Galerien übernehmen – neben der Vermarktung von Kunstwerken – idealerweise die Produktion von Ausstellungen, vermitteln Inhalte und begleiten, unterstützen und dokumentieren Künstler und ihr Werk. Galerien finanzieren zudem Ausstellungsbeteiligungen, Biennale-Teilnahmen und andere Vermittlungsformate wie Symposien, Talks, Atelierbesuche. Ohne den von Galerien getriebenen Markt für zeitgenössische Kunst gäbe es keine Messen – aber auch nicht den Resonanzraum der Kataloge, der anzeigenfinanzierten Magazine und anderer Publikationen.

Nicht alle in der Szene stellen „das Ökonomische“ ins Zentrum ihres Handelns. Es gibt ein gewaltiges Publikum, viel Aufmerksamkeit und einen enormen Vertrauensvorschuss von Seiten der Öffentlichkeit für Museen, Künstlerinnen, Kunst (von dem die Verwerterinnen in ungerechter Weise profitieren). Wo sich die Ökonomie der Aufmerksamkeit zu sehr auf den Markt ausrichtet, wird man diesen Vertrauensvorschuss verspielen. Ein Lichtblick: die jüngere Generation ist wacher und weiser, was die Manipulationen durch Medien angeht.

Catrin Lorch ist Kunstkritikerin und Redakteurin im Feuilleton
der Süddeutschen Zeitung.