Nicolaus Schafhausen
Je unbekannter die Spielregeln eines Spiels sind, umso schwieriger wird es für neue Mitspieler*innen ebendiese zu erschließen.
Mit der Ausstellung Spielregeln in der Galerie KM untersucht der Künstler Sebastian Jung den Kunstbetrieb als Spiegel unserer Gesellschaft. Er befragt sich selbst in der Rolle des neu hinzu kommenden Spielers im Verhältnis zu ungeschriebenen Regeln des Spiels.
Sebastian Jungs künstlerische Rhetorik ist die des Beobachters. In den letzten Jahren ist er vor allem durch analysierende Betrachtungen hervorgetreten, die durch minimalistische Zeichnungen und Publikationen sein aktivistisches Engagement für einen Populismus gegen Hass stetig erweitern. In seiner Arbeit stellt er der zeitgenössischen, auf Emotionalisierung ausgerichteten Politik rechts-populistischer Bewegungen in Deutschland eine ästhetische Fragilität gegenüber. Seine Arbeit ist von einem subjektiven Blick auf eine gesellschaftspolitische Umgebung geprägt, der er den vereinfachenden Bildern populistischer Codes seine wie auch Analysen anderer entgegenstellt. Häufig initiiert der Künstler interdisziplinäre Projekte in Zusammenarbeit mit Vertreterinnen aus Politik, Populärkultur, Literatur oder Wissenschaft. Kunstinstitutionen schätzen seine Herangehensweise auch deshalb, weil er als Künstler neue Sichtweisen freilegen kann, die nicht unbedingt mit der Haltung der Institution übereinstimmen müssen. Die Beziehungen zwischen Galerien und Künstlerinnen folgen jedoch anderen Regeln als jene der Institutionen. Kann eine solche Strategie, die auf Beobachtungen eines Nonkonformisten angelegt ist, im Kunstmarktsystem ihr Forum finden? Ist die Kunst an sich für den Künstler bereits ein Spiel, das nach ungeschriebenen Regeln agiert, um politisch in Weltgeschehnisse einzugreifen?
Jungs Arbeiten befragen Befindlichkeiten, Gesten und Haltungen unserer Gesellschaft. Im Falle der Ausstellung Spielregeln die des Kunstmarktes. Neben systemischen Fragen wird der emotionale Zustand der Akteurinnen mitverhandelt. Vermeintlich naiv wirken seine hastig festgehaltenen Dokumentationen von jenen Kunstmarktbesucherinnen, die, wie im Titel angesprochen, von Gewinn getrieben sind. Der minimalistische Zeichenstil gibt diese Gemütszustände schlagfertig wieder. Dadurch wird die nie abschließend zu klärende Frage, ob es in der Kunst um l’art pour l’art oder um Macht geht fast schon humoristisch gespiegelt. Kunst muss sich die Frage dieser Maßstäbe gefallen lassen und muss diese nach wie vor aushalten können. Jungs Art, sich dem Kunstbetrieb auf ungewöhnliche Weise mit einem solchen Projekt zu nähern, seine Abweichung und Differenz, lässt sich als eine Ressource verstehen, die die weitreichenden Perspektiven der Spielregeln innerhalb des Kunstmarktes befragt.
Es geht ihm um die Kategorie der Betrachtung von Verhältnissen, die uns alle umgeben und die wir alle bedienen. Es geht also nicht nur um die Spielregeln im Kunstbetrieb, sondern auch um die Befragung des Spielens überhaupt. Jung zielt auf uns alle als Akteur*innen, rückt eben jene ungeschriebenen Regeln ins Blickfeld und beobachtet die Mentalität der Manipulationen innerhalb eines Systems. Daran ist nichts paradox.